Vertrag von Tordesillas zwischen Spanien und Portugal

Vertrag von Tordesillas zwischen Spanien und Portugal
Vertrag von Tordesillas zwischen Spanien und Portugal
 
Bei seinem Vordringen an der westafrikanischen Küste im 15. Jahrhundert bemühte sich Portugal, Kastilien möglichst von diesen Gebieten fern zu halten. 1454 ließ sich Portugal das ausschließliche Recht zur Erschließung dieser Länder durch ein Edikt des Papstes erteilen. Der Papst leitete seine Kompetenz zur Erteilung solcher Privilegien aus seiner Stellung als Stellvertreter Gottes auf Erden ab. Gegenüber Nichtchristen war die Inbesitznahme ihrer Länder gerechtfertigt aufgrund ihrer »Sündhaftigkeit«. Der Papst verlieh das Land als Lehen mit der Pflicht der Heidenmission. Spanien erkannte 1479 dieses Vorrecht der Portugiesen gegen die Abtretung der Kanarischen Inseln an.
 
Ein erneuter Konflikt zwischen Portugal und Spanien entstand, als Kolumbus 1492 für Spanien die »Neue Welt« in Besitz nahm. Der Anspruch Portugals bezog sich auf den Seeweg nach Indien in östlicher Richtung, insofern war der Auftrag an Kolumbus gerechtfertigt. Nach Kolumbus' Rückkehr traten Spanien und Portugal in Verhandlungen über eine »Seescheide« ein. Spanien verschaffte sich einen Vorteil, indem es von dem »spanischen« Borgia-Papst Alexander VI. 1493 die Bulle »Inter caetera divinae« erwirkte, in der Spanien alle Entdeckungen westlich einer von Pol zu Pol reichenden Linie im Atlantik 100 spanische Meilen westlich der Kapverdischen Inseln zugesprochen wurden, Portugal dagegen die östlich von ihr gelegenen.
 
Portugal stimmte im Vertrag von Tordesillas, abgeschlossen am 7. Juni 1494, dieser Lösung zu, erreichte aber, dass die Linie 370 spanische Meilen westlich der Kapverdenverlaufen sollte. Ohne es zu wissen, übertrug man die Ostküste Brasiliens damit an Portugal. Diese Aufteilung der Interessensphären geriet durch die im spanischen Auftrag stattfindende Weltumsegelung des Portugiesen Magalhães in Gefahr. Durch den Vertrag von Saragossa (1529) einigte man sich auf eine vergleichbare Seescheide zwischen beiden Reichen im Pazifischen Ozean. Sie verlief von der Atlantischen Seescheidelinie in fast exakt 180 Grad Abstand, sodass die Welt in zwei annähernd gleiche Hälften aufgeteilt wurde.
 
Die Einbeziehung des Papstes in die Frage der Aufteilung von Einflusssphären entsprach noch weitgehend mittelalterlichen Vorstellungen. Sie lieferte den vom christlichen Herrschaftsverständnis geprägten Monarchen durch den Auftrag der Heidenbekehrung eine besondere Legitimation für ihre größtenteils von materiellen Interessen bestimmte, brutale Eroberungspolitik.

Universal-Lexikon. 2012.

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